Das Tao Te King

Kapitel 49
Originaltext
聖人無常心,以百姓心為心。
善者,吾善之;不善者,吾亦善之;德善。
信者,吾信之;不信者,吾亦信之;德信。
聖人在天下,歙歙焉,為天下渾其心。
百姓皆注其耳目,聖人皆孩之。
Shèng rén wú cháng xīn, yǐ bǎi xìng xīn wéi xīn.
Shàn zhě, wú shàn zhī; bù shàn zhě, wú yì shàn zhī; dé shàn.
Xìn zhě, wú xìn zhī; bù xìn zhě, wú yì xìn zhī; dé xìn.
Deutsche Übersetzung

Der Berufene hat kein eigenes, festes Herz.
Er macht das Herz der Leute zu seinem Herzen.

Zu den Guten bin ich gut,
zu den Nichtguten bin ich auch gut;
denn das Leben ist die Güte.

Zu den Treuen bin ich treu,
zu den Untreuen bin ich auch treu;
denn das Leben ist die Treue.

Der Berufene lebt in der Welt ganz still und verhalten
und macht sein Herz für die Welt weit.
Die Leute alle blicken und horchen auf ihn.
Der Berufene nimmt sie alle an als seine Kinder.

Tiefe Weisheit
1. Das Prinzip der Herzensleere (Wu Chang Xin)

Laozi beginnt mit einer radikalen Forderung: Der Weise leert seinen Geist von starren Vorurteilen, um die Welt unverzerrt widerzuspiegeln. In der westlichen Tradition betonen wir oft das starke "Ich" und die eigene Meinung als Zeichen von Charakter. Das Tao lehrt jedoch das Gegenteil: "Kein festes Herz" zu haben bedeutet, nicht an einer starren Identität oder einem vorgefassten Weltbild zu kleben. Wenn wir voller Urteile sind, sehen wir die Menschen nicht, wie sie sind, sondern projizieren unsere eigenen Ängste auf sie. Diese innere Leere ist keine Passivität, sondern eine hochaktive Form der Empathie. Indem der Weise sein Ego zurücknimmt, wird er zum Resonanzboden für die Realität und verbindet sich mit dem "Herzen der hundert Familien".

Denken Sie an einen klaren Spiegel, der Staub und Gold gleichermaßen reflektiert, ohne daran zu haften. Oder an Wasser, das die Form jedes Gefäßes annimmt, ohne seine eigene Natur zu verlieren.

2. Radikale Güte als Konstante

Wahre Tugend (De) ist eine innere Konstante, die bedingungslos strahlt und nicht als Reaktion auf äußeres Verhalten entsteht. Unsere moderne Gesellschaft basiert oft auf dem Prinzip des Tauschs: Respekt gegen Respekt, Leistung gegen Belohnung. Laozi durchbricht diese Transaktionslogik vollständig. Wenn unsere Güte davon abhängt, ob der andere "gut" ist, dann ist sie keine Tugend, sondern lediglich ein Geschäft. Echte moralische Stärke zeigt sich gerade dort, wo sie nicht "verdient" wurde. Wir handeln aus unserer eigenen Fülle heraus, nicht aus Mangel oder Reaktion. Indem wir Gutes tun, unabhängig vom Empfänger, bewahren wir unsere eigene Integrität und verhindern, dass wir durch den Hass anderer selbst verbittern.

Die Sonne scheint auf den Gerechten und den Ungerechten mit derselben Wärme. Ein Baum spendet seinen Schatten auch demjenigen, der mit der Axt kommt, um ihn zu fällen.

3. Die transformative Kraft des Vertrauens

Bedingungsloses Vertrauen ist eine transformative Kraft, die im Gegenüber die eigene Vertrauenswürdigkeit erwecken kann. In einer Welt, die von Sicherheitsdenken, Verträgen und bürokratischer Absicherung geprägt ist, erscheint blindes Vertrauen oft als Naivität. Doch für Laozi ist Vertrauen eine Waffe des Geistes. Wenn man einem "untreuen" Menschen Vertrauen schenkt, bricht man dessen Erwartungshaltung und entwaffnet ihn. Der Lügner erwartet Misstrauen; begegnet man ihm mit Aufrichtigkeit, entsteht ein moralischer Raum, in dem er sein Verhalten ändern kann. Es geht nicht darum, sich ausnutzen zu lassen, sondern darum, durch die eigene Standhaftigkeit im Vertrauen die Realität zu formen. Wer in sich selbst ruht, muss den Betrug nicht fürchten.

Ein Mentor, der an einen gescheiterten Schüler glaubt, wenn alle anderen ihn aufgegeben haben. Ein Friedensstifter, der ohne Waffen in das Lager des Gegners geht, geschützt nur durch seine Aufrichtigkeit.

Anwendung im Leben
Fall 1: Konflikte am Arbeitsplatz

Das Problem: In einem kompetitiven Büroumfeld haben Sie einen Kollegen, der Informationen hortet, intrigiert oder passiv-aggressiv kommuniziert. Sie fühlen sich ständig in der Defensive, dokumentieren jeden Schritt zur Absicherung und spüren, wie das Misstrauen Ihre Arbeitsfreude und Ihren Feierabend vergiftet. Der Impuls ist stark, mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Die taoistische Lösung: Wenden Sie die Strategie der Asymmetrie an: "Zu den Nichtguten bin ich auch gut." Bleiben Sie freundlich und transparent, selbst wenn er es nicht ist. Das ist keine Schwäche, sondern Souveränität. Indem Sie nicht auf seine Provokationen einsteigen, entziehen Sie dem Konflikt die Energie. Oft ist solches Verhalten ein Schrei nach Anerkennung; Ihre unerwartete Güte kann die Dynamik entschärfen und schützt vor allem Ihr eigenes Herz vor Verbitterung.

Fall 2: Erziehung und Vertrauen

Das Problem: Eltern sorgen sich um die digitale Sicherheit ihrer Kinder. Aus Angst wird schnell Kontrolle: Tracking-Apps, das Lesen von Nachrichten oder strenge Verbote dominieren die Erziehung. Das Kind fühlt sich überwacht, entwickelt Strategien zur Umgehung der Regeln und lernt, wie man das System austrickst, statt moralische Eigenverantwortung zu entwickeln.

Die taoistische Lösung: Praktizieren Sie "De-Xin": Schenken Sie einen Vertrauensvorschuss. Sagen Sie: "Ich kontrolliere dich nicht, weil ich darauf vertraue, dass du verantwortungsvoll handelst." Wenn ein Kind spürt, dass es als vernünftiger Mensch behandelt wird – wie der Weise die Menschen als seine Kinder annimmt –, wächst es oft über sich hinaus, um diesem Bild gerecht zu werden. Wahre Autorität basiert auf Verbindung, nicht auf Überwachung.

Fall 3: Gesellschaftliche Polarisierung

Das Problem: In Diskussionen über Politik oder Nachhaltigkeit treffen wir auf Menschen mit radikal anderen Ansichten. Schnell stempeln wir sie als "ignorant" oder "böse" ab. Wir hören nicht mehr zu, um zu verstehen, sondern nur, um zu widerlegen. Diese innere Härte führt zu Isolation und Wut; wir sehen nur noch Feindbilder statt Mitmenschen.

Die taoistische Lösung: Der Weise "macht das Herz der Leute zu seinem Herzen". Versuchen Sie, Ihre eigene Meinung für einen Moment völlig zurückzustellen. Hören Sie radikal zu, um die Ängste hinter der aggressiven Meinung des anderen zu spüren. Wenn Sie dem "Unwahren" mit Offenheit begegnen, statt mit Urteil, schaffen Sie einen Raum für echte Begegnung. So wirken Sie als harmonisierende Kraft in einer polarisierten Welt.

Tao Te Ching

Library of Wisdom

Beginner's Guide to the Tao

The Tao Te Ching (The Book of the Way and Virtue) is a fundamental text of ancient wisdom. Comprising 81 short poetic chapters, it isn't meant to be read like a novel, but savored like tea. It explores the nature of the 'Tao' — the essential, unnameable flow of the universe.

What is The Tao?
Think of the Tao as the 'Flow' of the universe. It isn't a god to worship, but the natural rhythm behind all things. When you align your life with this flow, struggle disappears and clarity returns.
The Art of Wu Wei
Wu Wei means 'Effortless Action.' It doesn't mean being lazy; it means acting at the right moment without forcing outcomes. Like a sailor using the wind, stop fighting the current and you will go further.
How to Use This Library
These 81 verses are meant to be felt, not just read. Don't binge them. Select one tile below that calls to you today. Read it, breathe, and let the wisdom settle in your mind like steeping tea.

"Profound wisdom, simplified for modern life. We believe wisdom should flow like water—clear and reachable."

We have created the most accessible, easy-to-understand interpretations available on the web. No riddles, just clarity.
The 81 Verses
Verse 1
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Verse 2
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Verse 3
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Verse 4
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Verse 5
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Verse 6
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Verse 7
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Verse 8
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Verse 9
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Verse 10
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Verse 11
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Verse 12
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Verse 13
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Verse 14
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Verse 15
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Verse 16
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Verse 17
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Verse 18
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Verse 19
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Verse 20
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Verse 21
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Verse 22
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Verse 23
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Verse 24
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Verse 25
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Verse 26
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Verse 27
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Verse 28
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Verse 29
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Verse 30
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Verse 31
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Verse 32
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Verse 33
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Verse 34
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Verse 35
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Verse 36
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Verse 37
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Verse 38
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Verse 39
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Verse 40
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Verse 41
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Verse 42
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Verse 43
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Verse 44
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Verse 45
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Verse 46
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Verse 47
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Verse 48
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Verse 49
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Verse 50
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Verse 51
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Verse 52
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Verse 53
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Verse 54
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Verse 55
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Verse 56
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Verse 57
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Verse 58
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Verse 59
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Verse 60
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Verse 61
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Verse 62
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Verse 63
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Verse 64
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Verse 65
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Verse 66
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Verse 67
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Verse 68
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Verse 69
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Verse 70
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Verse 71
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Verse 72
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Verse 73
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Verse 74
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Verse 75
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Verse 76
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Verse 77
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Verse 78
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Verse 79
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Verse 80
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Verse 81
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